Was ist ein Wargame?

Eine Einführung

Dr. Roderich Billermann

Zu der im Titel gestellten Frage existiert unter Spielern keine einhellige, ja, nicht einmal eine vorherrschende Meinung. Auch der folgende Artikel versucht nicht, diese Frage normativ und ‚endgültig‘, sondern bestenfalls deskriptiv und kumulativ (und also vorläufig) zu beantworten: Beim Versuch, zentrale Charakteristika von „Wargames“ vorzustellen, verdankt sich der Text in der Hauptsache den zu diesem Thema nahezu unerschöpflichen Diskussionen auf einschlägigen Webseiten und Foren.[1]

Obschon nicht in allen, so doch wohl in den meisten der hier zur Debatte stehenden Spiele werden sich die unten erläuterten Merkmale finden lassen. Als „Wargame“ ließe sich dann mit einigem Recht ein Spiel bezeichnen, in dem die überwiegende Mehrheit dieser Merkmale erscheint. Zumal für eine Orientierung interessierter „Anfänger“ scheint dieser Weg der Begriffsbestimmung hilfreicher zu sein als der Weg über die Begriffsgeschichte.[2]

Die Reihenfolge der Charakteristika entspricht einer persönlichen Gewichtung; im Detail wird jeder Leser vermutlich andere Schwerpunkte setzen.

Konflikt („WARgame“)

Im Zentrum des Wargames steht ein identifizierbarer Konflikt, der nicht unbedingt ein real-historischer Krieg sein muss, sondern auch fiktiv, also etwa der Fantasy-Welt oder dem Science Fiction entlehnt sein kann.[3] Dieser Konflikt muss von dem Spiel und seinen Regeln als ‚realistisch‘ dargestellt und von den Spielern im Sinne eines „situational realism“[4] als ‚realistisch‘ aufgefasst werden (daher der oft verwendete Begriff „Simulation“). Damit ist mehrerlei impliziert: Zum einen ist ein Wargame ein thematisches Spiel, in dem es „um etwas“ geht, das in der Imagination der Spieler das Spiel selbst überschreitet und eine erzählbare, in sich (und ggf. mit der historischen Realität) konsistente, von den Entscheidungen des Spielers[5] in wesentlichem Maße bestimmte Geschichte generiert: Es wird ein „Krieg“ oder eine „Schlacht“ gewonnen oder eine Situation zugunsten eines der Spieler aufgelöst. Zum anderen muss dieser Konflikt ein direkter Konflikt sein: Was ein Spieler tut, schadet im Regelfall den oder dem anderen Spieler(n), obgleich es bei Spielen mit mehr als zwei Teilnehmern thematisch bedingte oder frei aushandelbare Allianzen geben kann. Zum dritten schließlich setzt ein Konflikt (mindestens) einen Gegner voraus. Dieser Gegner muss nicht notwendig ein menschlicher Gegner, sondern kann auch ein vom Spiel vorgegebener Algorithmus sein, der dann oft die Form von Flussdiagrammen und Tabellen annimmt. In diesen Fällen spielt ein menschlicher Spieler einerseits ‚seine‘ Konfliktpartei – und besitzt eine von den Regeln näher bestimmte Entscheidungsfreiheit; andererseits ‚spielt‘ er auch die gegnerische(n) Konfliktpartei(en) – hierbei muss er ohne spielerische Freiheit den Vorgaben des „Systems“ folgen.

Militärischer Konflikt

Um den Konflikt zu entscheiden, sind vorrangig und im weitesten Sinne militärische Mittel notwendig. Anders formuliert: Ein Sieg in einem Spiel, das ein Wargame zu sein behauptet, ist zwar nicht ausschließlich, aber in erster Linie durch Anwendung militärischer Mittel und durch Kampf möglich – und allenfalls auch mit Hilfe politischer Entscheidungen, technischer Entwicklungen, Handelsabkommen o.ä.. Dies bedeutet: Die Mehrzahl der Spielfiguren stellt militärische Einheiten dar; dies kann eine Panzerarmee, es kann aber auch ein Trupp Zwergenkrieger sein, aber schwerlich Wattebäuschchen oder Schafe.[6]

Asymmetrischer Konflikt

Wargames sind nicht fair. Im Unterschied zu den meisten anderen Spielen (u.a. auch zum Schach) ist der Konflikt in einem Wargame oftmals asymmetrisch und unausgeglichen, zumal dann, wenn es sich um einen historischen Konflikt handelt. Diese Asymmetrie kann gründen in unterschiedlicher Quantität und Qualität der den Konfliktparteien verfügbaren Mittel und Möglichkeiten, in unterschiedlichen (geographischen, politischen, ökonomischen etc.) Ausgangspositionen, unterschiedlichen Handlungszwängen und in unterschiedlichen Siegbedingungen (die indes andererseits die Asymmetrie der Konfliktparteien auch oft kompensieren können und sollen; siehe unten).

Offener Ausgang („WarGAME“)

Die Unbestimmtheit des Verlaufs – definierbar als das Unwissen der Spieler über den gleichwohl bestimmten Wahrscheinlichkeiten unterliegenden Spielausgang – ist die Haupteigenschaft jedes Spiels.[7] So sind auch in Wargames die Resultate der Kämpfe nicht im letzten vorherbestimmt oder im Voraus berechenbar, sondern in einem gewissen Maße dem Zufall („Schlachtenglück“) unterworfen. Konkret läuft dies nicht unbedingt auf den (wiewohl häufigen) Einsatz von Würfeln hinaus; es können auch zufällig gezogene/verteilte Karten, im Geheimen gewählte Aktionen oder ähnliche Mechanismen verwendet werden bis hin zu dem Gegner verborgene Informationen („Fog of War“/„Nebel des Krieges“, z.B. über die genaue Einheitenstärke) und somit Möglichkeiten des Bluffs und der Täuschung. „Offener Ausgang“ bedeutet folglich nicht, dass die Kämpfe von den Spielern unbeeinflussbar sind. Im Gegenteil: Die Aufgabe des Spielers eines Wargames besteht darin, mit individuellen wie regelkonformen Entscheidungen (und Können oder Übung) das Risiko zu reduzieren, das Glück zu zwingen (durch Berücksichtigung der eigenen Stärken und Schwächen, des Terrains und der Positionen usw.), ohne doch den Zufall (beispielsweise in Gestalt des Wetters, herangeführter oder eben nicht herangeführter Verstärkungen des Gegners) ganz beherrschen zu können.[8]

Nicht zuletzt meint „offener Ausgang“, dass ein historisch fundiertes Wargame keineswegs die Geschichte ‚nachspielen‘ und stets zu einem historisch exakten Ergebnis kommen muss. Als Modelle eines Ausschnitts der geschichtlichen Welt sollen Wargames die Geschichte nicht reproduzieren. Ein Wargame mit historischem Gegenstand muss zwar ein historisches Resultat ermöglichen, wenn die Spieler im Wesentlichen handeln, wie es ihre realen ‚Vorläufer‘ taten. Im Sinne einer lehrreichen „analytic history“, eines kreativ-kritischen „re-enactment of the past“ (R. Collingwood) und nicht zuletzt der Freude am Spiel muss es den Spielern aber auch plausible Handlungsalternativen einräumen und im Ergebnis vom realgeschichtlichen Verlauf abweichen können.[9]

Einheiten/Spielfiguren

Zur Darstellung militärischer Einheiten verwenden Wargames drei unterschiedliche Formen von Spielsteinen: Counter (seltener auch „Chits“ genannt), (Holz-)Blöcke und Miniaturen.

Mit Abstand am häufigsten werden sogenannte „Counter“ verwendet, das sind Quadrate (bisweilen auch Rechtecke) aus dickerer Pappe, die unterschiedlich farbig bedruckt sind (um ihre Zugehörigkeit zu einer Konfliktpartei zu markieren) und diverse Informationen und Zahlenwerte zeigen: die Art der Einheit/Waffengattung (entweder durch Symbole, bei klassischen Militäreinheiten oftmals NATO-Symbole,[10] oder durch bildhafte Darstellung), ihre Angriffs- und Verteidigungsstärke sowie ihre Bewegungsreichweite.[11] Diese Counter können umgedreht werden, um Verluste an Menschen, Material oder Moral anzuzeigen; befinden sich auf der Vorderseite die soeben genannten Zahlenwerte, so sind diese auf der Rückseite folglich reduziert. Alle Informationen auf den Countern sind auch für den Gegner stets sichtbar, wenngleich einige Wargames ausdrücklich verlangen, dass der Gegner von Counter-Stapeln, den sogenannten „Stacks“, nur den obersten Counter inspizieren darf und z.B. die von der „Operational Studies Group“ publizierten Spiele zu napoleonischen Schlachten mit verdeckten Countern arbeiten.

Während bei Countern dennoch das Unsicherheitsmoment reduziert ist, verfügen die nicht ganz so häufig eingesetzten, quadratischen und einseitig beklebten Holzblöcke sozusagen über einen eingebauten „Nebel des Krieges“. Die Aufkleber zeigen ähnliche Informationen wie die Counter; da aber die Blöcke aufrecht auf dem Spielplan stehen, kann nur der Spieler selbst, nicht aber der Gegner erkennen, um welche Einheiten es sich handelt und wie stark sie momentan sind. Werden Counter auf ihre ‚reduzierte‘ Seite, so werden Blöcke um 90° gedreht, falls sie Verluste erleiden (somit erlauben Blöcke, bis zu vier ‚Stärkegrade‘ einer Einheit zu unterscheiden). In letzter Zeit kommen Blöcke auch zum Einsatz (z.B. in Spielen um Seeschlachten), um das bloße Vorhandensein eines Kampfverbandes darzustellen, dessen genaue Zusammensetzung vom Gegner allererst erkundet werden muss.[12]

Ein nahezu eigenständiges (dem Verfasser fast gänzlich unvertrautes) Subgenre bilden Wargames mit Miniaturen. Dies sind (von vielen Spielern bemalte) Figuren, von denen meist jeweils mehrere gleiche Exemplare eine Einheit repräsentieren; Verluste werden durch sukzessives Entfernen von Figuren markiert. Zwar dürfen Miniaturen-Wargames eine größere Anschaulichkeit (und vielfach auch weniger komplexe Regeln) für sich verbuchen; im Gegensatz aber zu Countern und Blöcken können auf Miniaturen deutlich weniger Informationen untergebracht werden, was die Spieler nötigt, die unterschiedlichen Werte der Einheiten im Gedächtnis oder in Form von Spielerhilfen, Tabellen mit den Werten der Einheiten o.ä. griffbereit zu halten. Das von der amerikanischen Firma WizKids entwickelte „Clix“-System begegnet diesem Problem mit einer sich am Fuß der Einheiten befindlichen, dreh- und verdeckbaren Scheibe, auf welcher die (sich ggf. ändernden) Werte der Einheiten ablesbar sind. Wegen der meist hohen Produktionskosten werden von solchen Plastik-oder Metallminiaturen pro Spiel selten mehr als zehn verschiedene Einheitstypen hergestellt.[13]

Skalierung

Wargames weisen eine „Skalierung“, ein „Level of Warfare“ auf, d.i. der Detaillierungsgrad, das Niveau, auf welchem militärische Aktionen vom Spieler realisiert werden. Diese Skalierungen dürfen nicht verwechselt werden mit Schwierigkeitsgraden; es existieren zahlreiche Wargames mit niedriger Skalierung und dennoch immenser Regelkomplexität.[14] Obgleich Mischformen möglich, Übergänge bisweilen fließend sind, können folgende Skalierungen unterschieden werden:

  • „Skirmish Level Wargames“ („skirmish“, engl.: Scharmützel) stellen militärische Aktionen auf unterster Ebene, also Mann gegen Mann dar und nähern sich oft Rollenspielen an.
  • „Tactical Level Wargames“ stellen militärische Aktionen auf der Ebene kleinerer Einheiten, etwa eines Zuges von Soldaten, dar.
  • „Grand Tactical Level Wargames“ stellen militärische Aktionen (besonders im Zeitraum vor den Weltkriegen) auf der Ebene einer Kompanie, eines Bataillons oder einer Brigade dar (dies sind – historisch und national unterschiedlich – zwischen 100 und 5.000 Soldaten).
  • „Operational Level Wargames“ („Operative Wargames“) stellen militärische Aktionen mindestens auf Brigaden-, meist aber auf Divisionsebene (10.000 – 30.000 Mann) dar, sie vergegenwärtigen mehr als eine einzelne Schlacht, aber in der Regel noch nicht die Kriegsführung eines ganzen Staates.
  • „Strategic Level Wargames“ befassen sich mit militärischem Geschehen aus der Perspektive der Oberbefehlshaber, auf der Ebene von Armeen oder Armeegruppen einer ganzen Nation, eventuell an mehreren Kriegsschauplätzen.
  • „Grand Strategic Wargames“ repräsentieren ebenfalls militärisches Geschehen auf der Ebene ganzer Nationen, beziehen aber in größerem Maße insbesondere politisch-diplomatische und ökonomische Entscheidungen in das Spiel ein.

Praktisch und heuristisch sinnvoller als diese etwas filigrane Differenzierung scheint indes eine Dreiteilung in taktische, operative und strategische Wargames. Was ein einzelner Counter, was der Spielplan repräsentiert, welche Anforderungen an den Spieler gestellt, welche Abläufe von den Regeln abgedeckt werden müssen – das alles variiert mit der Skalierung: Während bei taktischen Wargames die Spielfiguren/Counter wenige Personen darstellen und es um die effiziente Führung kleinerer Truppenteile zum Erreichen kurzfristig relevanter Ziele geht, müssen bei operativen Spielen mit Hilfe größerer Verbände z.B. Versorgungswege und Rohstoffquellen gesichert oder das gegnerische Militärpotential insgesamt ausgeschaltet werden. Auf den Karten strategischer Wargames steht ein Hexfelder für eine reale Fläche von 100qkm oder mehr, ein einzelner Spielzug umfasst Monate oder ein Jahr.

Beim Versuch, Wargames zu definieren, stellen die verschiedenen Skalierungen ein Hauptproblem dar: Wie bereits angedeutet, sind bei unterschiedlich skalierten Spielen unterschiedliche Spielelemente von Bedeutung. So werden in einem taktischen Wargame beispielsweise Nachschub und Verstärkungen (siehe unten) schon deswegen kaum eine Rolle spielen, weil der dargestellte Zeitraum plausibel erscheinen lässt, dass die Einheiten zureichend versorgt sind und in der Kürze der Zeit mit Verstärkungen nicht zu rechnen ist. Und wo im Kampf einzelner Soldaten oder Fahrzeuge die Sichtlinie (siehe unten) zum Gegner über die Möglichkeiten des Vorgehens entscheidet, muss auf operativer oder strategischer Ebene und bei Entfernungen von 100 Kilometern oder mehr davon ausgegangen werden, dass eine Armee die gegnerische Armee ‚sieht‘ bzw. ihre Position kennt.

Spielplan als Karte

Unmittelbar abhängig von der Skalierung zeigt das ‚Spielbrett‘ eines Wargames in der Hauptsache eine Karte („map“), mit realen oder fiktiven, jedenfalls klar identifizierbaren geographischen Gegebenheiten (Terrain), die unmittelbar Auswirkungen auf das Spielgeschehen und besonders auf die Bewegungsmöglichkeiten der Spielfiguren haben. Unterschieden werden können Karten mit hexagonalen (seltener quadratischen) Feldern von Karten mit Gebieten (bzw. „Punkten“).[15] Prinzipiell kann ein Spielplan bzw. eine Karte auch erst im Verlaufe des Spiels entstehen, z.B. durch eine sich sukzessiv erweiternde oder konkretisierende Kartenauslage.

Bei Karten mit hexagonalen Feldern („Hexfeldern“), die zuerst bei Spielen der „Avalon Hill Company“ Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts eingeführt wurden, ist das abgebildete Terrain überlagert von einem Netz sechseckiger Felder. Während sich bei einer rechtwinkligen Rasterung Felder zum Teil nur an den Ecken berühren, hat in einem Sechsfeldraster ein Feld nur Nachbarfelder, die über Kanten miteinander verbunden sind, was u.a. simplere Regeln für die Bewegung der Spielfiguren (in sechs Richtungen) ermöglicht und zudem gestattet, durch Abzählen der Felder Entfernungen mit größerer Genauigkeit und Realitätsnähe zu bestimmen.[16]

Dieser bei Wargames sehr verbreiteten Gestaltung des Spielfeldes steht (seit Beginn der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts)[17] dessen Einteilung in unterschiedlich große (ggf. an realen Geländeformationen orientierte) Gebiete („Areas“) gegenüber; hier bewegen sich die Einheiten zu jeweils unmittelbar benachbarten (‚ganzen‘ und ‚natürlich‘ erscheinenden) Gebieten, die bei einer Hexfeld-Karte in viele Felder unterteilt wären. Ein praktischer Vorteil dieser Form einer Karte liegt in ihrer Übersichtlichkeit: Mehrere Einheiten, die sich in ein und demselben Gebiet befinden, müssen meist nicht – wie in Hexfeldern – gestapelt, sondern können nebeneinander ausgelegt werden.

Eine in jüngster Zeit anzutreffende Abwandlung und Vereinfachung des Spielplans mit Gebieten ist die sogenannte „Punkt-zu-Punkt-Karte“ („Point-to-Point-Map“). Dieses Spielfeld besteht aus miteinander durch Linien verbundenen Punkten (meist Städte). Nur auf diesen Punkten können sich Einheiten befinden; nur auf den Linien dürfen sich die Einheiten bewegen. Mögen zwei Punkte auf einer solchen Karte auch eng beieinander liegen, eine Bewegung von einem der Punkte zum anderen ist allein dann möglich, wenn zwischen ihnen eine Verbindungslinie existiert.

Neben der Karte als dem Schauplatz des Geschehens befinden sich auf den Spielplänen vieler Wargames noch andere Informationen: Dies kann eine Legende zu den Auswirkungen unterschiedlichen Terrains („Terrain Effects Chart“/TEC), eine Kampfergebnistabelle („Combat Result Table“/CRT), aber auch eine Zeitleiste („Time Track“) sein, auf welcher der Fortgang des Spieles und die durch die einzelnen Spielzüge repräsentierten Zeitabschnitte – von Stunden bis hin zu Jahren – mit Hilfe von Markern festgehalten werden. Sehr häufig wird auf die Spielpläne noch die „Sequence of Play“ (Spielabfolge) gedruckt, der im Detail zu entnehmen ist, wie ein Spielzug abläuft: Wer zieht/bewegt seine Einheiten zuerst? Folgt der Angriff unmittelbar auf die Bewegung oder darf sich der Gegner zwischenzeitig bewegen? Wann treffen etwaige Verstärkungen ein? Wann wirkt sich bei einer Einheit fehlender Nachschub aus? Wann wird das Erfüllen von Siegbedingungen überprüft? Usf.

Bewegung/Aktivierung

Die wohl wichtigste und häufigste spielerische Aktivität in einem Wargame besteht in der Bewegung der Einheiten. Anders als bei vielen anderen Spielen kann der Spieler während seines Zuges einige, alle oder auch keine seiner Einheiten bewegen – abhängig von der eigenen Entscheidung und/oder von bestimmten Mechanismen, mit denen Einheiten zuerst „aktiviert“ werden müssen, um eine Aktion wie eine Bewegung oder einen Kampf auszuführen. Bei diesen Mechanismen sind wiederum Mischformen möglich; grob unterscheiden lassen sich jedoch:

  • das IGOUGO-Verfahren („I go, you go“): die Spieler bewegen abwechselnd entweder alle, einige oder keine ihrer Einheiten oder sie verfahren gemäß einem der nachfolgenden Spielsysteme;[18]
  • das Chit-Pull-System: aus einem zuvor bestimmten Pool wird blind ein „Chit“ (meist ein Papp-Marker) gezogen, der entscheidet, welche Einheiten aktiviert werden (ein Solo-Spieler freundliches System); [19]
  • das Impulsverfahren (auch „Action Point-System“ genannt): jeder Spieler hat zu Beginn seines Zuges eine bestimmte (ggf. wechselnde) Anzahl von „Aktionspunkten“ zur Verfügung, mit denen er für unterschiedliche Aktionen ‚bezahlen‘ muss;
  • das Anführer/Kommandeur-System: nur Einheiten in der Befehlsreichweite von Anführern/Kommandeuren dürfen bewegt werden;[20]
  • die von Karten gesteuerte (mit dem Impulsverfahren verwandte) Aktivierung in sogenannten „Card Driven Games“ (CDGs):[21] das Spiel wird wesentlich beeinflusst von Karten, mit deren Hilfe eine bestimmte Anzahl von Einheiten aktiviert, aber wahlweise auch ein (historisches) Ereignis implementiert werden kann.

Die maximale Bewegungsreichweite hängt ab von den Bewegungspunkten einer Einheit („Movement Points“; auf Countern ist dies meist die Ziffer unten rechts), vom Terrain und ggf. auch von den Wetterbedingungen: Jedes Hexfeld oder jedes Gebiet kostet ein bestimmte, oft einer tabellarischen Übersicht („Terrain Effects Chart“/TEC) zu entnehmende Anzahl dieser Bewegungspunkte; offenes, flaches Terrain ist in der Regel (und zumindest für Bodeneinheiten) ‚billiger‘ als gebirgiges oder sumpfiges oder das Überqueren eines Flusses (wenn er nicht zugefroren ist…). Noch weniger Bewegungspunkte fallen häufig für das Ziehen entlang von Straßen an usf.

Abgesehen von dieser normalen Bewegung gestatten viele Wargames eine strategische Bewegung der Einheiten (engl. „strategic movement“ oder „strategic redeployment“). Damit ist ein Verlegen von Truppen hinter den Frontlinien (oft) über Eisenbahnstrecken und über größere Entfernungen gemeint, als die Einheit mit ihren regulären Bewegungspunkten zurücklegen könnte. Im Regelfall dürfen allerdings die so herangeführten Einheiten im selben Spielzug nicht (oder nur unter Auflagen) angreifen und/oder sind – sollten sie selbst attackiert werden – benachteiligt.

Kampf

Obgleich bei den Regeln für den Kampf zwischen einzelnen Wargames wohl die größten Unterschiede festzustellen sind, existieren doch viele Konstanten und Gemeinsamkeiten. Greift eine eigene eine gegnerische Einheit an, dann kommen bei den meisten Wargames mit Countern die Angriffs- und Verteidigungswerte der beteiligten Einheiten ins Spiel: Der Angriffswert ist im Regelfall die Ziffer unten links, der Verteidigungswert die Ziffer in der unteren Mitte. Befinden sich auf den Countern nur zwei Ziffern, dann handelt es sich von links nach rechts um einen „Combat Factor“ (Kampfwert), der für Angriff wie Verteidigung gilt, und um die Anzahl der Bewegungspunkte.[22] Angriff- und Verteidigungswert der kämpfenden Einheiten werden nun zueinander in ein von Wargame zu Wargame unterschiedlich definiertes Verhältnis gesetzt. Dies kann schlicht die positive oder negative Differenz zwischen beiden Werten sein oder eine Relation („odds“), die sich aus der Division des Angriffs- durch den Verteidigungswert ergibt (so dass ein Angriffswert von 8 und ein Verteidigungswert von 4 einem Verhältnis von 2:1 entsprächen). Im nächsten Schritt wirft der Angreifer (und ggf. auch der Verteidiger) einen oder mehrere Würfel, konsultiert die Kampfergebnistabelle („Combat Result Table“)[23] und stellt dort mit seinem Würfelresultat und unter dem zuvor ermittelten Verhältnis den dann zu implementierenden Kampfausgang fest. Besagtes Würfelresultat kann noch zugunsten wie zuungunsten des Spielers durch sogenannte „Die Roll Modifier“ (DRM, Modifikatoren des Würfelwurfs) verändert werden, wenn etwa das Terrain, auf dem sich die verteidigende Einheit befindet (oder ihre Position, z.B. jenseits eines Flusses), das Wetter oder bestimmte Eigenschaften der am Kampf beteiligten Einheiten einbezogen werden.[24]

In Wargames, die Blöcke verwenden (siehe oben), laufen die Kämpfe zumeist anders und einfacher ab, weil hier im Regelfall keine Kampfergebnistabelle konsultiert werden muss. Jeder Einheitentyp hat einen Wert für ihre momentane Stärke (welche ihrer vier Seiten weist nach oben?), der bestimmt, wie viele sechsseitige Würfel für sie im Kampf geworfen werden, und einen Angriffswert, der besagt bei welchem Ergebnis (z.B. nur „6“ oder nur „5“ und „6“) sie einen Treffer erzielt. Erleidet eine Einheit einen solchen Treffer,[25] wird sie um 90° gedreht, was – besonders bei den in diesem Genre prominenten „Columbia Games“ – auch sogleich die Anzahl der Würfel, die diese Einheit selbst werfen darf, reduziert. Auch bei Block-Wargames existieren häufig Würfelmodifikatoren, z.B. für bestimmte Einheiten und/oder günstige Positionen auf der Karte.

Schließlich sei noch die schnelle wie einfache „Buckets of Dice“-Methode („eimerweise Würfel“) zur Ermittlung von Kampfergebnissen erwähnt, die im Wesentlichen bei weniger komplexen Wargames zum Einsatz kommt: Die Spieler werfen Würfel, deren Anzahl der Feuerkraft oder schlicht der Zahl ihrer Einheiten entspricht. Sofern das Spiel keine Spezialwürfel nutzt, die Treffer bzw. Fehlschläge unmittelbar anzeigen, erzielt oft nur eine gewürfelte Zahl einen solchen Treffer.

Nicht immer aber entscheiden Würfel über das Kampfergebnis. In den letzten Jahren gelangen zusehends Spiele auf den Markt, die auf Würfel verzichten und stattdessen die Kämpfe entscheiden über die Differenz der jeweiligen Kampfstärken, die ggf. von der Position der beteiligten Einheiten modifiziert wird.[26]

Ist bei Block-Wargames das Kampfergebnis immer ein, mehrere oder kein Treffer und führt hier die Reduktion des letzten Stärkepunktes schließlich zur Eliminierung der Einheit,[27] so sind die möglichen Kampfergebnisse bei Wargames mit Countern (erneut in Abhängigkeit von der Skalierung des Spieles) oftmals differenzierter: Die Eliminierung einer Einheit stellt hier sozusagen nur die ‚Endstufe‘ dar. Zuvor kann (insbesondere bei operativen und strategischen Spielen) eine Einheit zu einem mehr oder minder weiten Rückzug gezwungen (aber nicht unbedingt beschädigt) oder aber nur „reduziert“, also leichter beschädigt werden (d.h. der Counter wird auf seine ‚reduzierte Seite‘ umgedreht, ohne dass die Einheit ihre prinzipielle Kampffähigkeit verliert), ehe sie nach einem weiteren Treffer entfernt werden muss – sofern sie zwischenzeitig nicht wieder aufgefrischt wurde. Vornehmlich bei taktischen Spielen gibt es noch eine Fülle anderer, möglicher Kampfresultate, die der Zerstörung der Einheit gleichsam vorgeschaltet sind: Eine Einheit kann infolge eines Treffers z.B. „suppressed“ (unterdrückt) oder „routed“ (in die Flucht geschlagen, auch: „disorganized“) sein, so dass sie sich nicht mehr regulär bewegen oder mit normaler Stärke angreifen kann und erst nach einem erneuten Treffer eliminiert wird, falls z.B. ein Anführer/Kommandeur ihre Moral nicht neuerlich aufgebaut oder sie sammelt („rally“); ein Fahrzeug etwa kann „damaged“ (beschädigt) sein, was zwar eine Bewegung verhindert, eventuell aber nicht seine Feuerkraft reduziert usw.

„Stacking“

Die Skalierung der Karte (wie groß ist die ‚reale Fläche, die einem Hexfeld/Gebiet entspricht?) und die Größe der Einheiten bestimmt das „Stacking“, d.i. die Möglichkeit, Einheiten auf einem Punkt des Spielfeldes zu „stapeln“: Die maximale Anzahl von Einheiten, die sich gleichzeitig in einem Hexfeld/Gebiet aufhalten und dort einen Stapel (engl. „stack“) bilden dürfen, ist das sogenannte „Stacking Limit“ („Stapelgrenze“ oder „Stapelbegrenzung“). Die Regeln mancher Wargames beschränken darüber hinaus die Einheitentypen, die sich gleichzeitig auf einem Feld befinden dürfen. Oftmals wird das kurzzeitige Überschreiten des „Stacking Limits“ für den Fall erlaubt, dass ein Spieler Einheiten durch ein Hexfeld/Gebiet hindurchzieht, ohne dass diese Einheiten dort verblieben. Demgegenüber muss eine besonders restriktive Stapelbegrenzung zu jedem Zeitpunkt des Spiels und der Bewegung von Einheiten beachtet werden, was nicht zuletzt Rückzugsmöglichkeiten beschneidet.[28]

„Zone of Control“

Unter „Zone of Control“ (Kontroll- oder Einflusszone) wird in vielen (operativen und strategischen, seltener taktischen) Wargames der Bereich von einem Feld (bei einem Hexagonalraster sind dies dann die sechs umgebenden Felder) im unmittelbaren Umkreis einer Einheit verstanden.[29] Die „Zones of Control“ des Gegners können – abhängig von der Größe der Einheiten, der Skalierung der Karte und manchmal auch des Wetters – die Bewegungen eigener Einheiten in unterschiedlichem Ausmaß behindern: Entweder der Spieler muss beim Betreten und/oder Verlassen einer gegnerischen Einflußzone (engl. „Enemy Zone of Control“, abgekürzt „EZOC“) mehr Bewegungspunkte bezahlen als für eine normale Bewegung oder er darf sich nicht von einer EZOC in eine andere EZOC bewegen oder aber er darf eine solche EZOC gar nicht verlassen und muss seine Bewegung abbrechen, sobald er sie betritt. Bisweilen sehen Regeln vor, dass Einheiten über Hindernisse hinweg (besonders Flüsse oder außerhalb von Festungen/Forts) keine Kontrollzone besitzen oder dass sie nach einem durch Angriff erzwungenen Rückzug vorübergehend ihre Kontrollzone einbüßen.

„Line of Sight“

Die „Line of Sight“ (Sichtlinie, abgekürzt „LOS“) ist (ausschließlich in taktischen Wargames) eine gedachte Linie zwischen einer feuernden Einheit und einer Zieleinheit, wobei oftmals ein Punkt im Zentrum des Hexfelder genutzt wird, um zu dem Punkt des Zielfeldes eine gerade Linie zu ziehen. Geographische u.ä. Gegebenheiten (z.B. Erhebungen, Bäume, Büsche, aber auch Gebäude) können die Sicht auf das Ziel mehr oder weniger einschränken (und also die Trefferchance verringern) oder die Zieleinheit für einen Fernangriff sogar ganz verbergen.

Nachschub und Versorgung

Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben (besonders operative und strategische) Wargames, die ein Geschehen abbilden, das in der Realität länger als einen Tag andauerte, spezifische Regeln für Nachschub und Versorgung (engl. „supply“). Dies gilt vor allem bei Wargames zu Konflikten seit dem 19. Jahrhundert.[30] Ob eine Einheit zureichend mit Nahrung und Munition versorgt ist, wird bei den meisten Spielen relativ abstrakt entschieden: Kann von einer Einheit eine durch Gegner oder ihre „Zones of Control“ nicht unterbrochene Linie zu eigenen Städten oder der ‚eigenen Seite‘ der Karte gezogen werden, so ist diese Einheit versorgt; kann eine solche Linie (bisweilen auch „Line of Communication“ genannt) nicht gezogen werden, gerät die Einheit „out of supply“ (OOS). Welche Konsequenzen mangelnde Versorgung für eine Einheit hat, ist von Wargame zu Wargame und von porträtierter Epoche zu Epoche verschieden; grundsätzlich darf man sagen, dass die Folgen schwerwiegender werden, je mehr das Szenario sich der Gegenwart nähert: Einheiten in Wargames zum Ersten oder Zweiten Weltkrieg werden meist eliminiert, sobald sie mehr oder weniger lange Zeit unterversorgt oder – eine übliche Taktik – von ihrer Versorgungsquelle (engl. „supply source“) abgeschnitten sind.

Verstärkungen und Ersatz

Auch Verstärkungen (engl. „reinforcements“) und Ersatz (engl. „replacements“) werden meist erst dann Bestandteil eines Wargames, wenn der von ihnen dargestellte Konflikt über einen Tag hinaus andauert. Verstärkungen sind verspätet und/oder zusätzlich eintreffende Einheiten, die zu einem von den Regeln festgesetzten, ggf. am historischen Vorbild orientierten Zeitpunkt und Ort den Schauplatz betreten. Wargames auf hohem strategischem Niveau gestatten bisweilen dem Spieler, selbst über Art und Umfang der Verstärkungen zu entscheiden. Demgegenüber versteht man unter „Ersatz“ entweder zuvor eliminierte Einheiten, die nun wieder auf die Karte zurückkommen (bei Countern zumeist auf ihrer ‚reduzierten‘ Seite), oder (meist in Form von abstrakten Punkten, „replacement points“ o.ä.) das Auffrischen bereits auf dem Spielplan befindlicher, aber angeschlagener Einheiten (bei Countern durch das erneute Umdrehen von ihrer ‚reduzierten‘ auf die Seite mit voller Stärke). In aller Regel treffen Ersatz und Verstärkungen jeweils am Ende eines Zuges ein.

Siegbedingungen

Während der Sieg bei den meisten Spielen an identische Bedingungen für alle Spieler geknüpft ist, weist ein Wargame – zumal, wenn in seinem Zentrum ein asymmetrischer Konflikt steht – den Spieler oft unterschiedliche Siegbedingungen zu.[31] Zum einen existieren viele (hauptsächlich taktische) Wargames, in denen derjenige Spieler gewinnt, der eine bestimmte (je nach Konfliktpartei oftmals variierende) Anzahl gegnerischer Einheiten eliminiert oder Städte kontrolliert, eine bestimmte Position auf der Karte erreicht oder hält usw. Zum anderen orientieren sich die Siegbedingungen besonders operativer und strategischer Wargames mit geschichtlichem Hintergrund und vielfach dezidiert asymmetrischem Kräfteverhältnis an den Erfolgen oder Misserfolgen der historischen Feldherren: Ein Spieler gewinnt dann, wenn er größere Erfolg aufweisen kann als sein realer Vorgänger, wenn er also beispielsweise einen Krieg zwar verliert, sich jedoch länger behauptet hat. Nur unter solchen Siegbedingungen können auch sehr einseitige Konflikte – z.B. der Pazifik-Krieg zwischen den USA und Japan oder auch diverse Seeschlachten – in Wargames thematisiert werden und beiden Spielern Anreiz bieten.

Literatur:

  • Caillois, R., Les Jeux et les hommes, Paris (1958) 1987.
  • Creveld, M. van, Wargames. From Gladiators to Gigabytes, Cambridge u.a. 2013.
  • Dunnigan, J.F., The Complete Wargames Handbook. How to Play, Design and Find Them, New York (3. Aufl.) 2005.
  • Elias, G.S., Garfield, R.; Gutschera, K.R., Characteristics of Games, Cambridge (Mass.), London 2012.
  • Huizinga, J., Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (1938), Reinbek bei Hamburg (1956; 18.Aufl.) 2001.
  • Lewin, C.G., Wargames and their History, Oxford, Charleston (2012; 2.Aufl.) 2015.
  • Perla, P.P., Branting, D.L., Wargames. Exercises and Analysis, Alexandria 1986.
  • Sabin, Ph., Simulating War. Studying Conflict through Simulation Games, London, New York 2012.
  • Sutton-Smith, B., The Ambiguity of Play (1997), Cambridge (Mass.) 2001.

[1]  In erster Linie sind hier gemeint die Diskussionsbeiträge auf http://www.boardgamegeek.com/ und http://www.consimworld.com/. Der Verfasser dankt dem ehemaligen Vorstand der GHS, namentlich M. Flakowski, für wertvolle Anregungen, Ergänzungen und Korrekturen.

[2]    Grundlegende Informationen bei M. van Creveld, Wargames. From Gladiators to Gigabytes, Cambridge u.a. 2013 und neuerdings C.G. Lewin, Wargames and their History, Oxford, Charleston (2012; 2.Aufl.) 2015, sowie u.a. auf den folgenden Webseiten: http://faculty.virginia.edu/setear/students/ wargames/page1a.htm, http://www.hmgs.org/history.htm (insbesondere für das Spiel mit Miniaturen) und http://en.wikipedia.org/wiki/Wargaming. Einen Abriss der Geschichte des Wargames bis zu Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bietet J.F. Dunnigan, The Complete Wargames Handbook. How to Play, Design and Find Them, New York (3. Aufl.) 2005, S. 139-165.

[3]    Es lässt sich die These vertreten, dass die Komplexität eines Wargames eine Funktion seiner Historizität ist: Je detaillreicher das Spiel versucht, seiner historischen Vorlage als Simulation zu entsprechen, desto umfangreicher ist sein Regelwerk und desto mehr Einsichten in die betreffende Epoche kann es vermitteln. Daher benötigen abstrakte Spiele nur wenige Regeln.

[4]    Begriff bei Dunnigan, The Complete Wargames Handbook (wie Anm. 2), S. 89f.

[5]    Siehe hierzu den inzwischen klassischen, wenngleich sehr allgemeinen Definitionsversuch bei P.P. Perla, D.L. Branting, Wargames. Exercises and Analysis, Alexandria 1986, S. 1f.: „Wargames are warfare models or simulations, not involving actual military forces, and in which the flow of events is affected by and, in turn, affects decisions made during the course of those events by players representing the opposing sides. The key words in this definition are players and decisions. Fundamentally, wargaming is an experiment in human interaction and is best used to investigate processes, not to calculate outcomes.“ Die Bedeutung der Entscheidungen des Spielers, die bei historischen Simulationen nicht mit denen der realen ‚Vorgänger‘ übereinstimmen müssen, hat unlängst auch Ph. Sabin wieder gesondert herausgestellt (Simulating War. Studying Conflict through Simulation Games, London, New York 2012, S. 4).

[6]    Hierzu E. Viglino („Calandale“), einer der profiliertesten Wargame-Kenner und –Rezensenten, in einem Beitrag zu einem Wargames-Forum, 12.04.2014: „Wargames are the games which make up the hobby(s) of wargaming. […] Wargaming (like war) extends beyond battle scenarios. It can be global in nature, and include economic and political concerns. The focus has to be on military though.“

[7]    So bereits die Väter einer theoretischen Beschäftigung mit Spielen: J. Huizinga, Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (1938), Reinbek bei Hamburg (1956; 18.Aufl.) 2001, S. 9-37 pass. und R. Caillois, Les Jeux et les hommes, Paris (1958) 1987, S. 31-44 pass.: „Un déroulement connu d’avance, sans possibilité d’erreur ou de surprise, conduisant clairement à un résultat inéluctable, est incompatible avec la nature du jeu“ (S. 39).

[8]    Über das Verhältnis von Glück/Zufall („luck“) und Können („skill“) siehe die allgemeinen Erörterungen bei G.S. Elias, R. Garfield, K.R. Gutschera, Characteristics of Games, Cambridge (Mass.), London 2012, S. 150-161; die Autoren versuchen, den vermeintlichen Gegensatz von Können und Glück zugunsten einer spielbestimmenden Komplementarität aufzulösen: In Spielen reduziert Zufall/Glück nicht die Notwendigkeit von Können, sondern die Erträge des Könnens.

[9]    Siehe hierzu ferner Sabin, Simulating War (wie Anm. 5), S. 53-63, sowie die Definition bei B. Sutton-Smith, The Ambiguity of Play (1997), Cambridge (Mass.) 2001, S. 231: „Psychologically, I define play as a virtual simulation characterized by staged contingencies of variation, with opportunities for control engendered by either mastery or further chaos.“

[10]   Die gebräuchlichsten und einfachsten Symbole sind ein gelängtes X für Infanterie, ein liegend- gestrecktes Oval für Panzer, ein Querstrich für Kavallerie und ein zentrierter, dicker Punkt für Artillerie. Die auf http://www.assistdocs.com/search/document_details.cfm?ident_number=114934 verlinkten pdf.-Dateien geben hier detailliertere Auskünfte.

[11]   In vielen Fällen ist zusätzlich die Größe und mit ihr eine Hierarchie militärischer Einheiten angegeben, oftmals unter Verwendung folgender Symbole: XXXX = Armee, XXX = Korps, XX = Division, X = Brigade, lll = Regiment, ll = Bataillon und l = Kompanie.

[12]   Als Beispiele sei verwiesen auf „PQ 17- Arctic Naval Operations 1941-43“ und „1805: Sea of Glory“ (beide GMT; 2009). Sowohl die beiden Spiele „Red Storm“ und „Liberty Road“ aus der „War Stories“-Serie (Conquistador Games 2014) wie auch „Triumph & Tragedy“ (GMT; 2015) wandeln die weithin übliche Verwendung von Blöcken ab.

[13]   Nur en passant muss die im Unterschied zu nahezu allen Spielen große Zahl unterschiedlicher Einheitstypen in Wargames erwähnt werden. Viele Wargames verleihen bestimmten Einheiten zusätzlich Spezialfähigkeiten, die sie in manchen Situationen besonders schlagkräftig machen: So bewegt sich leichte Infanterie in Wäldern schneller als schwere Infanterie, berittene Truppen auf Kamelen sind besonders geeignet für den Kampf in der Wüste, motorisierte Einheiten können ggf. vorrücken, kämpfen und erneut vorrücken usw.

[14]   In Anlehnung an Überlegungen bei Elias, Garfield, Gutschera, Characteristics (wie Anm. 8), S. 120-129, ließen sich Wargames von anderen Spielen unterscheiden durch eine zu Spielbeginn hohe und gegen Spielende sinkende Komplexität. Andere Spiele weisen demnach zur Mitte der Spielzeit eine höhere Komplexität als zu Beginn auf, ehe am Ende die Anzahl sinnvoller Aktionen und Entscheidungen abnimmt.

[15]   Der Spielplan der meisten aktuellen Wargames besteht nur aus Papier, auf Hartpappe aufgezogene Spielpläne („mounted maps“) sind immer noch die Ausnahme. Um papierne Spielpläne zu schützen und um die durch Lagerung unvermeidlichen Knicke zu glätten, empfiehlt sich die Anschaffung von Plexiglassscheiben unterschiedlicher Größe.

[16]   Das Auszählen der Hexfelder der kürzesten Entfernunge zwischen zwei beliebigen Hexfeldern liefert eine gute Näherung der wahren Entfernung: Der Fehler beträgt maximal akzeptable 15,5%. Bei quadratischen Rastern haben zwei sich nur an den Ecken berührende Felder den √2-fachen Abstand zweier direkt benachbarter Felder, was beim beim Abzählen der Felder zu einem Fehler von bis zu 41,4% führt (nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Sechseckraster).

[17]   Das erste Wargame mit dieser Kartengestaltung ist laut „Wikipedia“ das 1981 von der „Avalon Hill Company“ publizierte „Storm over Arnhem“ (http://en.wikipedia.org/wiki/Area_movement).

[18]   Eine hin und wieder bemerkliche Abwandlung des IGOUGO-Systems (mit starkem „Nebel des Krieges“-Effekt) ist das schriftliche, teilweise mehrere Spielzüge vorausplanende Notieren von Befehlen/Bewegungen, die dann implementiert werden, falls sie nicht durch Aktionen des Gegners bereits unmöglich geworden sind.

[19]   Wie in nahezu allen hier nur vergröbernd präsentierten System existiert auch beim Chit-Pull-System eine Reihe von Varianten; so kann ein Spiel etwa mit zwei unterschiedlichen Pools arbeiten (z.B. „Gazala: The Cauldron“, Revolution Games; 2013).

[20]   Bei diesem System gibt es eine Fülle von Varianten: So können etwa Einheiten auch dann bewegt werden, wenn sie sich nicht im Befehlsradius („Command Range“) eines Anführers oder Hauptquartiers aufhalten, müssen aber eine eingeschränkte Bewegungsreichweite in Kauf nehmen, auf Angriffe oder auf Vorteile bei Angriffen verzichten usf. Sofern in einem Wargame Anführer, Kommandeure oder Hauptquartiere vorhanden sind, reduziert sich ihre Bedeutung nur in den seltensten Fällen auf die Fähigkeit zur Aktivierung ihnen unterstellter Einheiten. Sie können darüber hinaus z.B. Einheiten sammeln (um ihre angeschlagene Moral aufzubessern), ggf. umgehend auf eine gegnerische Aktion reagieren usw.

[21]   Dieser relativ neue Mechanismus wurde zuerst 1994 von M. Herman in seinem Spiel „We the People“ (Avalon Hill) verwendet. Seither hat sich vor allem die kalifornische Spieleschmiede GMT mit der Veröffentlichung von CDGs einen Namen gemacht.

[22]   Das unlängst publizierte Spiel „Unconditional Surrender! World War 2 in Europe“ (GMT; 2014) von S. Vasta kommt ohne Ziffern auf den Countern aus und steuert die Kämpfe ausschließlich über Würfelmodifikatoren.

[23]   Muss in einem Wargame beim Kampf nur die Differenz zwischen Angriffs- und Verteidigungswert ermittelt und dann ein Würfel geworfen werden, so lautet die übliche Bezeichnung für die Kampfergebnistabelle „Combat Differential Table“.

[24]   Zusätzlich zu Würfelmodifikatoren verwenden Wargames bisweilen auch sogenannte „Column Shifts“: Besondere Umstände eines Kampfes verschieben ein zuvor ermitteltes Verhältnis zwischen Angreifer und Verteidiger in der Kampfergebnistabelle um eine oder mehrere Spalten („columns“) nach links oder rechts, so dass – z.B. durch die Teilnahme von Panzern auf Seiten des Angreifers – eine Relation von 2:1 zu einer Relation von 3:1 werden kann.

[25]   In vielen Block-Wargames finden Kämpfe folglich nicht simultan statt. Die Treffer werden statt dessen umgehend appliziert, d.h. eine angegriffene Einheit nimmt sofort Schaden und kann nur als bereits beschädigte (und nicht mit ihrer Stärke zu Beginn des Kampfes) zurückschlagen.

[26]   Als Beispiele seien genannt die von B. Simmons konzipierten Spiele „Napoleon’s Triumph“ (Histogame; 2007) und „The Guns of Gettysburg“ (Mercury Games; 2013). Auch „Strike of the Eagle“ (Academy Games; 2011) und „Waterloo 200“ (VentoNuovo Games; 2015) nutzen keine Würfel.

[27]   „Eliminierung“ bedeutet grundsätzlich nicht, dass eine Einheit bis zum letzten Mann aufgerieben wurde; es bedeutet, dass die Einheit ihre Kampfkraft, ihren Zusammenhalt („cohesion“) und ihre Moral so weitgehend eingebüßt hat, dass sie derzeit nicht effektiv eingesetzt werden kann – was ihre spätere Rückkehr auf den Schauplatz des Geschehens in vielen Fällen nicht ausschließt (siehe unten: Verstärkungen und Ersatz).

[28]   Wie erwähnt, ermöglichen „Stacks“ bisweilen auch einen gewissen „Nebel des Krieges“-Effekt, wenn der Gegner nur den obersten Counter eines Stapels anschauen darf. In manchen Wargames darf der Spieler auch nur mit dem obersten Counter eines solchen Stapels angreifen.

[29]   Erwähnt seien noch die selteneren Wargames, in denen manche Einheiten eine „Zone of Control“ von mehr als einem Feld Umkreis projizieren, wie dies beispielsweise bei den Flugzeugträgern in „Empire of the Sun“ (GMT; 2005) der Fall ist.

[30]   Auch bei Wargames zu früheren Konflikten spielen Nachschub und Versorgung häufig eine Rolle; allerdings sind die Folgen für eine unversorgte Einheit meistens weniger gravierend.

[31]   Viele Wargames bieten den Spielern mehrere verschiedene Szenarien eines umfassenderen Konfliktes (z.B. mehrere Schlachten oder Feldzüge eines Krieges), die dann auch jeweils andere Siegbedingungen haben.